Die Samsui Frauen

Man begegnet ihnen fast überall in Singapur. Insbesondere in und um Chinatown. Den Samsui Frauen. Also nicht den Frauen selbst, aber Abbildungen von ihnen. Diesen Frauen mit ihren turbangleichen, roten, ausbordenden schon fast quadratischen drapierten Kopftüchern.

Klar, dass ich mich gefragt habe, was es mit diesen Frauen auf sich hat.

Herausgefunden habe ich, dass die Samsui Frauen kantonesische und Hakka Immigrantinnen waren, also Frauen aus Südchina.

Die erste Welle von Immigranten nach Singapur waren in aller Regel verarmte Chinesen, die in Singapur auf der Suche nach Arbeit waren – auf dem Bau, als Rikschazieher oder Minenarbeiter. Da es aber fast ausschließlich Männer waren und der Männerüberschuss in Singapur zu einem Problem zu werden drohte, beschloss die Regierung von Singapur 1928 eine Quote für männliche Einwanderer. Als dann auch noch die Große Depression einsetzte, musste die Zuwanderung noch mal drastischer reguliert werden. Aber eben nur die Zuwanderung von Männern.

Die Zuwanderung von Frauen unterlag keiner Quote. Mitte der 1930er und bis in die 1960er Jahren kamen daher ungefähr 2.000 Samsui Frauen nach Singapur. Viele von ihnen noch blutjung. Die meisten wenig älter als 18/ 20 Jahre alt. Auch sie auf der Suche nach einem besseren Leben. Was sie aber fanden, war ein Leben voller Entbehrungen und harter körperlicher Arbeit. In Singapur angekommen lebten sie meist zusammengepfercht mit anderen Samsui Frauen in Shophouses in Chinatown. Zeitweise lebten in den Shophouses, in denen heute eine einzige Familie lebt, bis zu 100 Menschen.

Hinzu kam, dass die meisten bereits hoch verschuldet nach Singapur kamen. Über viele Jahre hinweg mussten sie bei ihren Schleppern, die für sie die Reise nach und die Unterbringung in Singapur organisiert hatten, ihre Schulden abstottern. Die meisten mussten bis weit in ihre 70er Jahre hinein arbeiten.

Arbeit fanden sie in Minen, auf den Gummibaumplantagen oder auf dem Bau, wo sie Steine schleppten. Es waren die Samsui Frauen, die maßgeblich zum Bau der ersten HDB (Housing Development Board) beigetragen haben. Noch heute leben die meisten Singapurianer*innen in solchen HDBs. Nur einige wenige Samsui Frauen hatten das Glück und kamen als Hausangestellte in privaten Haushalten unter.

Um Geld zu sparen, ernährten sie sich sehr spärlich. Meistens gab es nur Reis mit eingelegtem oder frischen Gemüse. Kaputte Kleidung und Schuhe wurde so lange repariert, bis sie auseinander fielen.

Weil die meisten Samsui Frauen sehr jung und in erster Linie zum Geld verdienen gekommen waren, blieben sie ihr Leben lang Single. Nur wenige gründeten eine Familie. Die meisten adoptierten entweder ein Kind oder hatten Patenkinder.

Bis 2014 lebten noch zwei Samsui Frauen in Singapur. Beide waren alleinstehend und wohnten jeweils in einem Ein-Zimmer-Appartment zur Miete.

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