Nein! Es ist nicht so, dass wir meinten, für die Höhe zu alt zu sein. Diese Aussage kam von einer anderen Seite.
An unserem vierten Tag in Tibet ging es in Richtung Bamei, wo wir übernachten sollten. Nach unserem chinesischen Frühstück bestehend aus Dumblings, Eiern, eingelegtem Gemüse und einer Congee (Reissupper) haben wir uns also auf die Räder geschwungen. Die ersten Kilometer waren super anstrengend. Wir mussten den Berg hoch und zwar richtig lange. Immer wieder sausten Autos an uns vorbei und versuchten uns mit lautem Hupen zu motivieren. Teilweise hat es geklappt. Aber ohne Pause unmöglich.



Am höchsten Punkt angekommen, wurden wir wieder von bunten Gebetsfahnen, die hoch oben quer über die Straße gespannt waren, begrüßt. Ab jetzt: bergab. Herrlich! Wieder vorbei an zahlreichen Gebetsmühlen, Tempeln, riesigen Dreiecken aus Gebetsfahnen, etlichen Pilzverkaufständen – sehr zu Helenes Freude – und einer intensiven Polizeikontrolle. Und dann das: Stau. Eine Straßensperre. Es waren schon Straßenverkäufer mit Verpflegung da. Es würde also länger dauern. Zumindest für die Autofahrer. Kein Problem für uns. Aber wie lange würde Jeremy mit dem Begleit-Van warten müssen? Er hatte unsere Salami und den Krenzer Senf!



Egal. Eigentlich findet man in China immer und überall etwas zum Essen. Wir hatten unterwegs immer wieder und an den verrücktesten Stellen Läden gesehen. Meistens irgendwo im Nirgendwo. So einen würden wir schon finden, bevor wir verhungern oder verdursten. Also weiter. An all den wartenden Autos vorbei und rein in die Baustelle, die eigentlich nur eine unbefestigte Straße mit unendlich vielen Schlaglöchern war. Nach etlichen Kilometern dann der Schreck. Mein Vorderrad hatte seine Achsmutter verloren.
Wann?
Keine Ahnung.
Aber ich erinnerte mich nur, schon etwas länger ein komischen Geräusch gehört zu haben. Das Teilchen konnte also überall sein. Es mitten im Schlamm, durch den wir gefahren waren, zu finden? Schier unmöglich! Trotzdem haben sich unsere Männer heldenhaft auf die Suche begeben. Einen Versuch war es allemal wert. Und Ihr werdet es nicht glauben. Schon nach kürzester Zeit kamen sie freudestrahlenderer über die Buckelpiste angehoppelt. Sie hatten die Achsmutter tatsächlich gefunden. Ich hatte mich schon das Fahrrad nach Bamei schieben sehen. Jetzt konnte auch ich wieder entspannt, aber trotzdem mit einem doch mulmigen Gefühl, weiterradeln.



Schneller als gedacht, schloss dann auch Jeremy wieder auf. Unser Picknick war gerettet. Wir uns also gestärkt und weiter. Jetzt wieder den Berg hoch. Wir mussten uns beeilen. Den ganzen Tag drohte es zu regnen. Noch hatten wir keinen Tropfen abbekommen, aber lange würde das nicht mehr gut gehen. Vor unserer letzten Etappe, wir wollten uns noch kurz ausruhen, was trinken, was essen und plötzlich standen sie wieder vor uns. Die Polizisten, die uns schon vor Stunden kontrolliert hatte. Wir sollten doch bitte warten, bis der Oberpolizist kommt. Da es mittlerweile angefangen hatte, zu regnen, warteten wir also im Auto.
Als er endlich da war: same procedure as every time. Pässe zeigen, grünen Healthcode zeigen und 1000 Fragen beantworten. An Jeremy gerichtet die Frage:
„Wie alt bist Du?“
„40.“
Ein Blick auf Manfred, der vorne neben Jeremy saß und der Polizist sagte mit ernster Miene:
„Ihr dürft nicht weiter. Ihr seid zu alt. Ihr könnt in dem Alter nicht auf dieser Höhe Rad fahren. Ich kann das nicht verantworten. Wenn Euch in meinem Bezirk etwas passiert, bin ich schuld.“
Ok.
Der saß.
Jetzt waren wir schon vier Tage in diesen Höhen unterwegs. Immer auf ungefähr 3.600 Metern, hatten keinerlei Probleme gehabt und jetzt das. Aber wenn ein chinesischer Polizist sagt, dass man nicht weiter fahren darf, dann fährt man besser auch nicht weiter. Also zurück. Eskortiert von den Polizisten, damit wir auch ja nicht auf dumme Gedanken kommen.
„Und bloß in Tibet nicht in die Luft springen, sonst bleibt das Herz stehen und man sirbt.“. Das haben mir meine Kollegen eindringlich geraten. Manchmal fehlen einem die Worte 😛
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