Wir bleiben zwei Tage in Tagong. Es gibt hier so viel zu sehen, dass wir beschließen, einen Tag hier alles etwas genauer zu erkunden. Also erst mal ein gemütliches chinesisches Frühstück in einem Straßenrestaurant gegenüber unser Pension. Der Inhaber war extra zu uns gekommen, um uns „einzuladen“. Klar, dass wir kommen.
Dann rauf auf die Räder und los geht’s. Jeremy hat uns eine Tour ausgearbeitet und Manfred übernimmt die Navigation, da niemand Lust darauf hat, sich mit mir zu verfahren. Unser erstes Ziel: Ein Tempel mitten in den Bergen. Nichts weist darauf hin, dass sich hier inmitten der sanften Hügel ein Tempel befindet. Wir sehen lediglich einen kunstvoll verzierten Torbogen, wie man sie hier immer wieder über den Einfahrten zu kleinen Ortschaften sieht. Neben dem Torbogen, Jeremy. Wir sind also richtig und nach einigen Kilometern erreichen wir auch tatsächlich einen Ort. Weit kommen wir allerdings nicht, denn plötzlich stehen Polizisten in Zivil vor uns. Sie wollen unsere Pässe sehen. Sie wollen wissen, was wir hier machen. Warum wir hier sind. Ob wir einen grünen QR-Healthcode haben. Wohin wir wollen. Wie lange wir uns wo aufhalten werden.
Wie haben die uns gefunden?
Manfred meint, dass er das Auto schon bei uns in der Pension gesehen hätte. Verwunderlich wäre es nicht. Wer in China reist, muss sich immer, wenn er/sie an einen neuen Ort kommt, dort bei der Polizei melden. Da wir in Hotels bzw. in Pensionen untergekommen sind, die internationale Gäste beherbergen dürfen, übernehmen die das für uns.
Wer nach Tibet reisen will, benötigt ein separates Visum. Das östliche Tibet, das Teil der Sichuan Provinz ist, ist zwar frei zugäugig, aber dennoch sind Touristen und erst recht solche aus westlichen Ländern nicht wirklich erwünscht.



Nach einigem Hin und Her und nachdem wir alle Fragen beantwortet haben, dürfen wir weiter. Aber nur eine Stunde. Dann müssen wir wieder aus dem Gebiet draußen sein. Schade, aber ok. Also schnell weiter zum Tempel. Mitten durch ein typisch tibetanisches Dorf.
Der Tempel ist atemberaubend schön. Sowohl von außen als noch viel mehr von innen. Wir betreten einen riesigen Raum, der sich über drei Etagen nach oben öffnet. Hunderte von Holzsäulen halten die Decke. Im unteren drittel sind sie mit tibetischen Mustern und in den Farben der Gebetsfahnen bemalt. Nach oben hin satt rot mit Gold. Die Wände aus Holz und auch hier alles kunstvoll verziert. Auf dem Boden Sitze für die Mönche, in der Mitte des Raums ein großer Gong, an der Decke Kronleuchter und am Kopf des Raumes ein Thron. Der ganze Raum macht einen ehrfürchtig. Ich könnte hier Stunden verbringen und nur staunen. Aber wir dürfen uns ja insgesamt nur eine Stunde in der Gegend aufhalten.
Also flott weiter, raus aus dem Gebiet und eine nette Stelle für ein Picknick suchen. Manfred und Helene haben uns schon in Shanghai von ihrer Salami mit Krenzer Senf vorgeschwärmt. Wir wollen sie jetzt endlich probieren. Lange müssen wir nicht suchen, denn eigentlich ist hier alles schön. Wir lassen uns in der Nähe einiger Tiber*innen nieder, die hier in ihren Zelten auf Touristen warten, die sie dann auf ihren Pferden durch die Berge führen.


Es dauert nicht lange und ein junger Tibetaner steht neben uns und schaut sich neugierig uns und unsere Fahrräder an. Ehe wir uns umschauen können, hat er einen unserer Helme auf, fährt im Kreis um uns herum und nimmt das Rad samt Helm dann mit zu den anderen. Von unserem Platz aus können wir beobachten, wie er dort posiert. Selfies macht. Sich fotografieren lässt. Zu gerne wüsste ich, was mit den Fotos passiert.
Nach dem super leckeren österreichischen Picknick geht es weiter. Ich brauche einen Kaffee. Im Land der Teetrinker*innen kein einfacher Wunsch. Als ich mich schon fast damit abgefunden hatte, heute keinen Kaffee mehr zu bekommen, standen wir mitten im Nowhere vor einer Pension, die von einer amerikanischen Auswanderin betrieben wird. Mein Kaffeedurst sollte so schön wie selten gestillt werden. Mitten auf einer Wiese in den Bergen Tibets, mit Blick auf einen der höchsten Berge, Sonnenschein, chillige Musik, gemütliche Holzstühle. Was will das Herz mehr?


Abends nach dem Essen noch ein kleiner Spaziergang durch die Gemeinde. Vorbei an hunderten von Gebetsmühlen und einer Pyramide, auf der Steintafeln mit tibetanischen Schriftzeichen eingraviert und bemalt aufgestellt waren. Und, schwupps, war auch dieser Tag wieder viel zu schnell zu Ende. Das Auto der Polizisten haben wir nicht mehr gesehen. Tibet



