Heute wollten wir es wissen. Kann man mit dem Fahrrad am Huangpu entlang zum Meer gelangen? Einen Teil der Strecke – die Huangpu Riverside Bikelane auf der Pudongseite – waren wir schon diverse Male gefahren, aber bis zum Meer ist es dann doch noch ein ganzes Stück weiter. Einen Radweg gibt es nicht. Wir hatten uns die Strecke schon mal auf Google Maps angeschaut und so wirklich kompliziert sah es nicht aus. Immer am Fluß entlang und das letzte Stück durch ein Industriegebiet.



Je weiter wir aus dem Zentrum rauskamen, desto größer wurden die Gegensätze. Im Zentrum Pudong mit seinem super modernen Finanzviertel, seinen Hochhäuser mit Glasfassaden, seine Fahrradwege rechts und links gesäumt von blühenden Blumenfeldern. Alles super sauber und sehr ordentlich. Hier wird sogar der Rasen gefegt. In der Nähe des Meers und somit im Industrie- und Hafengebiet Ölraffinierien, Hochhäuserschluchten, halb verfallene Häuser, in denen aber noch Menschen leben, und überall am Straßenrand immer wieder große Müllhaufen.
Im Zentrum die Hunde herausgeputzt mit Kleidchen, Schleifen im Fell und manche sogar mit Schühchen. Dort streunende Hunde, die im Müll nach Nahrung suchen und offensichtlich zu niemandem als sich selbst gehören. Nicht nur sieht es hier anders aus, es riecht auch anders. Es kommt einem so vor, als wäre man in einer anderen Zeit in einem anderen Land. Ob die Menschen, die hier leben und arbeiten, oft ins Zentrum kommen? Kennen die Menschen, die im Zentrum leben, das Leben der Menschen hier draußen? Es muss beiden vorkommen wie eine Zeitreise – für die einen in die Zukunft, für die anderen in die Vergangenheit.

Nach drei Stunden und etwas über 30 Kilometern wussten wir es: Man kann mit dem Rad von uns aus bis zum Meer fahren. Leider ist die Gegend, in der wir am Meer gelandet sind, nicht sehr schön und man kommt nicht direkt ans Wasser. Aber man kann es vom Kai aus sehen. Hier ist nur Hafen. Direkt an der Mündung gibt es rechts und links ein Wald- bzw. Feuchtgebiet. Bis dahin sind wir aber (dieses Mal) nicht gekommen. Auch scheinen sich nicht oft Langnasen in diese Gegend zu verirren. Schon gar nicht mit dem Fahrrad. Viele schauten uns mindestens so erstaunt an, wie wir erstaunt darüber waren, hier „gelandet“ zu sein. Aber immer wieder wurden wir mit einem fröhlichen „Hallo“ gegrüßt und die Begeisterung war groß, wenn wir zurückgrüßten. Am Meer angekommen, rief uns ein freundlich winkender Mann zu sich und wollte wissen, ob wir Chinesisch sprechen würden. Als wir das verneinten, meinte er nur: „Dangerous. Watch out!“ Eine durchaus berechtigte Warnung, denn in diesem Gebiet waren ausschließlich große LKWs unterwegs. An einer Ampel deutete ein Straßenfeger auf meine Beine. Keine Ahnung, ob er mich fragen wollte, ob sie mir weh taten. Ich habe das aber mal so interpretiert und ihm gedeutet, dass mir mein Hintern sehr viel mehr weh tun würde. Aber was hilft’s. In der Metro kann man keine Fahrräder transportieren. In den Bussen auch nicht und außerdem war das Wetter viel zu schön. Für die Strapazen entlohnt wurden wir mit einem erfrischenden Bier und einem leckerem Essen an einem Tisch in der Sonne und fantastischem Blick auf den Huangpu und den Bund.

