Das eine ist es, sich in der Kälte draußen aufzuhalten. Das andere ist es, bei diesen Temperaturen lediglich mit einer Badehose bzw. einem Badeanzug bekleidet zu sein und sich dann auch noch in das eisige Wasser zu stürzen.
Während wir muckelig warm angezogen auf den Zuschauerrängen standen – ich hatte uns extra noch Skihosen, lange, ultrawarme Unterhosen, Unterhemden und Socken, sowie Mützen, Gesichtsmasken und Wärmepads für die Füße und Hände besorgt – waren die, denen wir zuschauten, lediglich mit einer Badehose bzw. einem Badeanzug und Badeschuhe bekleidet. Nichts Neopren. Nichts Wärmepads. Alle drei hätten genau so gut am Strand von Thailand baden gehen können. Sie wären nicht aufgefallen.
Insgesamt haben sich nacheinander vier, in meinen Augen, verrückte Chines*innen ins Wasser gestürzt. Jeder dieser vier richtete erst eine kurze Ansage an das Publikum – selbstverständlich auf Chinesisch und selbstverständlich habe ich keinen blassen Schimmer, was gesagt wurde – und stieg dann es unter lautem Gejohle, also unserem Gejohle, in die eiskalten Fluten. Ohne mit der Wimper zu zucken, sprang der erste von einem kleinen Sprungbrett ins Wasser und schwamm zur gegenüberliegenden Seite. Ohne Badekappe und mit dem Kopf immer wieder unter Wasser. Nummer zwei stieg entspannt ins Wasser , um zwei Bahnung durchs Eis zu ziehen. Nummer drei war eine Frau. Auch sie hat erst mal unter tosendem Applaus eine Runde um den Pool gedreht und ist dann lässig kopfüber ins Wasser gesprungen.

Toppen konnte diese Aktion unsere nächstes Sightseeing-Ziel nicht, aber dennoch, die russisch-orthodoxe Kathedrale in Harbin ist schon beeindruckend. Egal wo man in Harbin hinschaut, überall ist der Einfluss der Russen deutlich zu sehen. Schon der Flughafen mutete sehr russisch an und wenn man dann in die Stadt kommt, fühlt man sich eher in Russland als in China. Nicht, dass ich schon mal in Russland gewesen wäre, aber genau so sieht es auf den Bildern aus Russland aus und genau so stelle ich mir Russland vor. Abgesehen davon, kann man überall russische Produkte kaufen und jede Kneipe verkauft Vodka. Aber ich schweife ab. Zurück zur St. Sofia. 1907 wurde sie von Russen erbaut, die während der Russischen Revolution vor den Bolschewiken aus Russland geflogen waren und sich zu 100-tausenden im Norden Chinas niedergelassen hatten. Dass die Kathedrale die Kulturrevolution unbeschadet überstanden hat, hat sie nur der Tatsache zu verdanken, dass sie während dieser Zeit als Lebensmittellager diente. Leider konnten wir nicht rein. Aber so hatten wir Zeit, uns alles von außen ganz genau anzuschauen, bzw. uns auf die Suche nach Kaffee zu begeben. Kaffee haben wir nicht gefunden, aber leckeres Gebäck.
Fast toppen konnte das Eisschwimmen dafür aber die letzte Station auf unserer Reise. Sie war zwar nicht offiziell vorgesehen, aber nachdem wir uns als Gruppe darauf geeinigt hatten, dass der Besuch einer russischen Statue uns nicht interessiert, sind wir zum Zhaolin Park gefahren. Dorthin, wo alles begann. Also zu den Ursprüngen des Ice & Snow Festivals. In diesem öffentlichen, frei zugängigen Park werden Eisskulpturen von Student*innen ausgestellt. Wunderschön! Bei der einen oder anderen war nicht ganz klar, was es sein sollte, aber insgesamt, waren die Skulpturen so unglaublich schön, dass ich nicht verstanden habe, warum die hier und nicht bei denen der Profis standen.



Besonders schön waren hier die Begegnungen mit den Chines*innen. Wie in jedem Park, den ich bisher besucht habe, wurde auch hier getanzt. In so einem Moment ist es dann gut, mit anderen unterwegs zu sein. Ich weiß nicht, ob ich alleine mitgetanzt hätte, aber in der Gruppe bin ich natürlich dabei. Gemeinsam mit den Chines*innen haben wir uns tanzend die Ausstellung angeschaut und wurden dabei natürlich gefilmt und fotografiert und wurden selbst zur Attraktion.
Richtig lustig wurde es noch mal am Flughafen. Da wir von unserem letzten Programmpunkt direkt zum Flughafen gebracht wurden, kamen wir alle in voller Montur dort an. Zwar gibt es am Flughafen Umkleidekabinen, aber uns war schon vorher gesagt worden, dass davor immer lange Schlangen stehen würde. Ich war also vorbereitet und hatte mich so angezogen, dass ich mich problemlos vor den Augen aller ausziehen konnte, ohne dass es peinlich werden würde. Nur … ich war selbstverständlich die einzige, die das wusste. Als ich also anfing, mit aller Seelenruhe ein Kleidungsstück nach dem anderen auszuziehen, wurden die Augen der um mich herumsitzenden Chines*innen immer größer. Ich hatte fünf Schichten, derer ich mich entledigen musste. Obenrum! Ich habe aber vor der letzten Schicht aufgehört und mir ein langes Strickkleid übergezogen, bevor ich mich meiner Beinschichten entledigt habe. Ich gebe zu. Meine rote, lange Unterhose war schon ein Hingucker und wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte auch ich spätestens darunter nackte Haut erwartet. So auch mein Publikum, das sich spätestens jetzt in Position brachte. Aber … ich war, wie gesagt, vorbereitet. Unter meiner roten Beinbekleidung hatte ich schon meine schwarze Strumpfhose. Selbst unter den dicken Socken, hatte ich noch andere Socken. Es war – total unspektakulär – nichts zu sehen. Also für mein Publikum nicht. Vielmehr war ich diejenige, die den größten Spaß dabei hatte, in all die erwartungsvollen, ungläubigen Gesichter zu schauen.
Es ist soooooo schade, dass ich die Sprache nicht spreche!!!! Ich hätte zu gerne was nettes gesagt. So konnte ich mal wieder nur lächeln und hoffen, dass alle ihren Spaß hatten. Ich hatte ihn.