Ich musste mal raus, also habe ich mich auf mein neu erworbenes, original chinesisches Fahrrad geschwungen und bin los. Ich hatte mir überlegt, eine mir bekannte Strecke, die ich schon diverse Mal zu Fuß gelaufen bin, zu nehmen, aber dann kam mir die Fuxing Road in die Quere. Ich weiß, dass diese bis an den Bund führt. Ich also rechts abgebogen und gib ihm. Immer gerade aus. Immer der Straße nach. Glücklicherweise intuitiv in die richtige Richtung.
In Shanghai sind oft die Straßen nass, obwohl es nicht regnet und auch nicht geregnet hat. Man hatte mir erklärt, dass die Stadtverwaltung Wasser auf die Straßen spritzt, um so den Staub zu binden. Tolle Idee. Grundsätzlich. Wenn einem aber so ein Auto auf dem Fahrrad entgegen kommt, hat man verloren. Mir kam genau so ein Auto entgegen. Riesig groß, versprühte es das Wasser genau in meine Richtung. Rechts von mir ein hoher Bordstein. Links das Auto und zwischen uns der künstliche Regen auf Kniehöhe. Das Auto machte keine Anstalten sich auch nur einen Millimeter vom Weg abzubewegen. Mir blieb nichts anderes übrig: Ich musste da durch. Durch den Knieregen durch. Aber gut, die nächsten paar Meter musste ich dafür weniger Staub einatmen.
Weiter ging’s mit etlichen anderen Radfahrer*innen, Elektroscooterfahrer*innen und Autos. Durchaus ein Abenteuer, denn es gibt zwar Verkehrsregeln und ich dachte auch, dass ich die verstanden hätte, aber hier gilt dann doch das Gesetz des Stärkeren. Auto sticht Scooter. Scooter sticht Fahrrad und Fahrrad Fußgänger*in. Sind zwei gleich stark, gewinnt der oder die Lautere bzw. Aggressivere. Noch gehöre ich weder zur ersten noch zweiten Kategorie. Hatte also immer verloren.
Spannend ist es aber auch, über riesige Kreuzungen mit dem Fahrrad zu fahren. In Deutschland undenkbar. Bei uns würde man die Brücken nutzen. Fußgängerbrücken gibt es hier auch. Sogar mit Rolltreppe! Aber mit dem Fahrrad über die Füßgängerbrücke? NEIN! Da ist ein Schild mit einem durchgestrichenen Fahrrad und das bedeutet „Keine Fahrräder“. Das heißt: KEINE Fahrräder. Auch keine geschobenen Fahrräder. Das hatte ich schon gelernt. Spätestens als ein Trillerpfeiffe pfeiffender Verkehrspolizist mich anpfiff.
Dass es ganz normal ist, mit dem Fahrrad über diese riesigen Kreuzungen zu fahren, merkte ich daran, dass es sogar extra Ampeln für Radfahrer*innen gibt. Zunächst dachte ich noch: „Oh, nein! Wieder so ein Verbotszeichen.“ Ein rotes Fahrrad. Aber dann wurde aus dem roten ein grünes Fahrrad. Also alles ok. Ich würde nicht als Verkehrssünderin aus dem Verkehr gezogen werden – noch nicht.

Nach gefühlten 100 Kilometern – ich war mittlerweile wieder trocken, hatte aber Schmerzen, da wo man eben Schmerzen hat, wenn man lange nicht Fahrrad gefahren ist – kam endlich ein Hinweis, dass ich tatsächlich in Richtung Bund unterwegs war und irgendwann kam dann auch die Stelle, wo ich hin wollte. Meine Mission: Ich musste genau hier ein ganz bestimmtes Schild fotografieren…
Der Rückweg war dann ungefähr gleich abenteuerlich, wie der Hinweg. Ich hatte auf meiner ersten Fahrradtour durch Shanghai gelernt, dass ich überall da, wo ich nicht auf der Straße fahren darf, auf dem Fußgängerweg fahren darf. FEHLANZEIGE! Darf ich nicht! Weil ich mich ja nicht wirklich hier auskenne, war ich sehr stolz, als ich auf die Huaihai Road stieß. Die sagt mir was! Zumindest einen kleinen Teil dieser Straße kenne ich. Ich also auf die Huaihai Road abgebogen und auf dem Fußgängerweg – in der festen Überzeugung, nichts falsch zu machen, fuhr ich also auf dem tatsächlich menschenleerem Fußweg. Bis, ja bis, ich laut angepfiffen wurde. Ein wild mit den Armen fuchtelnder Verkehrspolizist deutete mir, abzusteigen. Es half auch nicht, mich dummzustellen. Ich musste vom Fahrrad absteigen.
Die Gegend war durchaus schön, aber ich hatte leider so gar keine Ahnung, wo genau ich war. Fahrrad schieben, war mir auch irgendwann zu doof und wirklich schnell kommt man so auch nicht voran. Also habe ich mir Straßen gesucht, auf denen ich fahren durfte. Mit dem Ergebnis, dass ich erst recht nicht mehr wusste, wo ich war. Wie gut, dass ich die App „maps.me“ habe, die mich dann sicher nach Hause gebracht hat. Wieder durch wunderschöne Straßen. Gerne würde ich da noch mal hin. Aber ob ich die wieder finde?